KG Elbsandstein
Sachsen-
Franken-
Magistrale
Mai 2014.
Meine Fachübungsleiter-Pflichtfortbildung steht an.
Diesmal geht es nicht in die Alpen.
Das diesjährige Thema lautet: Steige und Gipfel im Elbsandstein.
Wir 12 Lehrgangsteilnehmer treffen uns an einem kühlen, verregneten Nachmittag mit unseren Ausbildern auf der Ottendorfer Hütte im Kirnitzschtal. Erstaunlich, alle Teilnehmer sind mehr oder weniger aus der Mitte Deutschlands. Nur die beiden Bergführer, die später beim Klettern Unterstützung von erfahrenen sächsischen Kletterern erhalten, sind aus dem Bayrischen Voralpenland. Das Lager der Ottendorfer Hütte würde einer hochalpinen Schweizer Hütte alle Ehre machen. Bereits am ersten Abend macht sich ein gewisses Chaos breit. Wir richten uns, so gut es eben mit einem Kleiderhaken und einer kleinen Box geht, ein und arrangieren uns. Waschräume und Duschen sind über dem Hof.
Der nächste Tag bietet leider (noch) keine wettermäßige Besserung. Klettern auf feuchtem oder gar nassem Sandstein ist nur schwer möglich und nach den strengen Sächsischen Kletterregeln nicht erlaubt. Wir nutzen den Tag mit einer Trainings-Tour durch die hintere Sächsische Schweiz.
Rübezahl- und Rotkehlchen-Stiege, Wilde Hölle und Heilige Stiege stehen auf dem Programm. Die abenteuerlichen und teilweise ungesicherten Stiegen sichern wir mit Fix- und Geländerseilen.
Als Wanderwege benutzen wir meist abgelegene schmale Zustiegswege zu Kletterfelsen. Auch auf diesen schmalen und einsamen Wegen kommt Sicherungstechnik zum Einsatz.
Am Nachmittag erhalten wir während der Wanderung sehr interessante anschauliche Informationen über das Ökosystem Elbsandstein.
Abends schulen die Lehrgangsleiter die sächsischen Kletterregeln und machen uns mit Begriffen wie Überfall, Baustelle, Schlott und Boofen vertraut. So langsam erahne ich was auf uns zukommt.
Tag zwei bringt leider noch immer keine Wetterbesserung. Also auf über Zwillingsstiege, Langes Horn, Affensteinpromenade, Wolfshorn, Wolfsstiege, Bloßstock und Beuthenfall, wie mir vorkommt, kreuz und quer durch das Elbsandstein-Gebirge. Am späten Nachmittag treffen wie auf der Buschmühle im Kirnitzschtal zur verdienten Brotzeit ein.
Während des Tages komme ich mit Ingo Röger, einem FÜL-Kollegen aus Chemnitz, über das Klettern im Elbsandstein in Gespräch. Wie sich schnell herausstellt ist Ingo ein erfahrener Elbsandstein-Kletterer. Sein Erfahrungsschatz und Wissen über das Gebiet sind schier unerschöpflich. Mein Interesse ist geweckt.
Letzter Tag, endlich trockener Sandstein. Wir machen uns zeitig Richtung Wildensteiner Gebiet auf um die letzten Stunden des Lehrganges zu klettern. An den Lorenzsteinen warten mit Knox und Ali zwei Ausnahmekletterer auf uns. Knox hat bereits unzählige Erstbegehungen im Elbsandstein und ist für Insider eine Legende. Sanduhr-Schlinge, Knoten-Schlinge, Fussel-Schlinge, Kinderkopf und Affenfaust. Es gibt so gut wie keine fest eingebohrten Zwischensicherungen in den Kletterrouten, Klemmkeile und Friends sind aus Naturschutzgründen nicht erlaubt. Alle Zwischensicherungen müssen selbst, während des Kletterns, gelegt werden. Das ist eine völlig neue Herausforderung für Frankenjura-Kletterer und muss erstmal erlernt werden. Noch nicht von den neuen Sicherungsmethoden überzeugt geht es bereits ans Klettern.
Ingo ist vorgestiegen und holt mich nach. Da gibt es nur wenige Tritte und Griffe und wenn, dann rund. Reibungsklettern ist angesagt. Das Vertrauen dazu fehlt noch und dann meldet sich in der Mitte der Route auch noch die „Nähmaschine“. Durchatmen (du bist von oben gesichert) und den Westweg sauber zu Ende klettern. Na ja – geht einigermaßen. Nach dem obligatorischen Eintrag ins Gipfelbuch, streng nach der Reihe der Kletterer (sächsische Kletterregel!), geht es ans Abseilen. Unten ankommen entschließe ich mich die „Sagenhafte Kante“, eine überschaubare III.er Route, im Vorstieg zu versuchen. Ich bin schon fertig eingebunden, da kommt der Schlusspfiff, sammeln, Lehrgang beendet, schade! Das kann es doch nicht gewesen sein!
Auf dem Rückweg verabreden Ingo und ich uns für eine Fortsetzung.
Freitag, 10. Oktober 2014.
Klaus Greubel, Dietmar Baumeister, Christoph Schiller und ich sitzen im Auto Richtung Bad Schandau. Am Abend sind wir mit Ingo und einer Gruppe Kletterer der Sektion Chemnitz verabredet. Davor machen wir, nach einer guten Tasse Kaffee im Café Stammler in Bad Schandau, eine Eingehtour rund um Gohrisch- und Papststein. Die Gegend unterscheidet sich stark von der rechtselbischen Seite. Während im Norden zusammenhängende Felsgebiete, wie z. B. Affen- und Schrammsteine, Bastei und Winterberg, die Gegend prägen, bestimmen im Süden einzelne Tafelberge, wie z. B. Königs- Pfaffen- und Zschirnstein, die Aussicht. Bei Dämmerung treffen wir am Wanderparkplatz ein und fahren, mit Neugierde wen wir wohl die nächsten Stunden kennenlernen werden und welche Unterkunft uns erwartet, Richtung Porschdorf. Die Suche nach der kleinen Selbstversorgerhütte gestaltet sich in der Dunkelheit schwierig. Endlich angekommen, empfangen uns Karin und Jochen sehr freundlich und weisen uns in die kleine, aber schöne und zweckmäßig eingerichtete Hütte ein. Der brennende Kaminofen im Aufenthaltsraum verbreitet eine angenehme Atmosphäre. Mit dem ebenfalls bereits anwesenden Fabian kommen wir schnell ins Gespräch über das Klettern im Elbsandstein und über unsere möglichen Unternehmungen in den nächsten Tagen. Kurz darauf trifft Georg ein. Auch er wird uns die nächsten Tage an die Hand nehmen. Spät am Abend holt Jochen noch Ingo am Bahnhof in Bad Schandau ab und damit ist die Runde für diesen Abend komplett. Beim Meinungsaustausch über die unerschöpflichen Möglichkeiten für den nächsten Tag scheint der mitgebrachte Frankenwein gut zu schmecken.
Am nächsten Morgen zieht ein verlockender Kaffeeduft in die oberen Schlafräume. Kaum beim Frühstück, trifft bereits eine weitere Gruppe Kletterer aus der Sektion Chemnitz ein. Bis zu unserem Aufbruch Richtung Schrammsteine ist die Gruppe auf ca. 15 Personen angewachsen. Durch den Nassen Grund laufen wir Richtung Schrammstein-Aussicht. Gegenüber der Aussicht liegen unsere ersten Klettergipfel. Die Kletterpaare sind schnell eingeteilt. Christoph und Ingo, Klaus und Georg gehen zur Tante (20 mtr.), Fabian, Dietmar und ich werden den Bergfex (30 mtr.) ersteigen. Zum Aufwärmen sucht uns Fabian die Westkante (IV) aus. Unten nass, sandig und mit Schlüsselstelle am Einstieg gilt es die Kletterschuhe vor dem Einstieg gut zur reinigen. Im Internet liest sich die Tourenbeschreibung dann so: Schön zu klettern, aber manchmal trotz Ring etwas ungesichert auf Reibung und auch nicht immer nur IV! …aber geht alles… Einstieg etwas nass, oben viel Sandstein-Verfestiger . Oben angekommen sind wir warm und werden mit einer super Aussicht über die Schrammsteine belohnt – na also, geht doch! Die Kletterpaare wechseln die Klettergipfel und ehe wir uns versehen ist es bereits nach Mittag. Bei einem kurzen Pausenbrot haben Fabian und Georg die Idee Abzuseilen und anschließend Kamin zu klettern. Die beiden führen uns Richtung Dreifingerturm. Wir gelangen durch Übertritt und Seilgeländer an eine 50 mtr. Abseilsteile. Eine steil abfallende blanke Wand. Ich komme mir vor wie in Dolomiten. Die Abseilfahrt ist ein Erlebnis. Unten angekommen, machen sich Fabian und Klaus Richtung Klarweg (IV), Georg, Dietmar und ich Richtung Eiserner Kamin (III) am Nördlichen Osterturm auf. Georg und Dietmar entschwinden im tiefen, dunklen Kamin meinen Blicken und ich bin für die nächsten zwei Stunden alleine.
Klaus, erzähle doch mal weiter wie es dir im Kamin und uns in den weiteren Tagen erging.
Ja, wie soll ich das beschreiben; eng war`s, naß und rutschig war`s auch, aber mit Einsatz aller Möglichkeiten standen wir beide nach ca. 1 Std. doch auf dem Gipfel, ich mit etwas lädierten Ellbogen und Armen, sonst aber guter Dinge. Der Ausspruch von Fabian „Aus dem Elbsandstein kommt man blutig oder gar nicht“ relativierte dann meine kleine Blessuren und nachdem leichter Regen eingesetzt hatte, ging es sehr zügig an`s Abseilen.
Die Zeit war wie im Flug vergangen. Es dämmerte schon und wir machten uns auf, Richtung Parkplatz, wo wir schon von einigen Kletterkameraden erwartet wurden. Fabian und Georg mußten sich leider schon verabschieden, die restliche Gruppe fuhr nach Porschdorf. Dort wollten wir uns in der Gaststätte „Porschdorfer Einkehr“ zum Abendessen treffen. Leider hatte die „Porschdofer Einkehr“ an diesem Abend geschlossen, und wir suchten in der näheren und weiteren Umgebung vergeblich nach einer Gaststätte in der man nach 20.00 Uhr noch etwas zu essen bekommt. Nachdem wir so bei fünf Gaststätten abgeblitzt waren, beschlossen wir unsere mitgebrachten Vorräte auszupacken und selbst zu kochen. So gab es in der Porschdorfer Hütte so gegen 22.30 Uhr Gulasch mit Nudeln, und wir ließen es uns richtig gut schmecken.
Am Sonntag Morgen galt natürlich der erste Blick dem Wetter; leicht neblig aber trocken, Aussichten gar nicht so schlecht. Also raus aus den Federn, Frühstück, aufräumen, packen und los, Richtung Bielatal, was schon am vergangenen Abend ausführlich besprochen wurde.
Unsere Gruppe hatte sich etwas vergrößert. Es waren noch einige KletterfreundeInnen aus Chemnitz dazu gekommen. Auf der Fahrt in`s Bielatal verzog sich der Nebel und als wir am Parkplatz ankamen, sah es nach einem wunderschönen trockenen Herbsttag aus. Der Zustieg war heute weitaus angenehmer. Trotz Sonne war es kühl und frisch, der Weg zwar lang, aber relativ flach und gemütlich.
Als erste Kletterroute hatte Ingo den „Spannagelturm“ ausgesucht und dort den Alten Weg, eine Route die mit sächsisch (IV**) eingestuft ist. Der Fels war zwischenzeitlich schön trocken, Ingo stieg vor, so daß die Route für uns alle im Nachstieg sehr gut und mit Genuß zu machen war.
Als nächstes ging es weiter zum „Wolfskopf“. Hier schlug Ingo die Südostwand (IV**) vor, und jetzt wurde es ernst, den Ingo meinte, wir hätten doch jetzt soviel Kenntnisse des Sachsenkletterns daß wir uns an einen Vorstieg wagen sollten. Noch mal Einweisung in die Sicherungstechnik, vor allem wie die verschiedenen Knotenschlingen, Bandschlingen, Express usw. am zweckmäßigsten am Gurt zu fixieren sind. Letzte Einweisungen in die Route und als Mutmacher der Hinweis, daß in der Wand jede Menge Sanduhren zu finden sein sollten. So machte ich mich als erster auf den Weg.
Es ging auch ganz gut, nur wo waren bitte die vielen Sanduhren? Die Sicherungsabstände waren dann doch etwas weiter als geplant, einige Sanduhren wurden dann doch gefunden und natürlich genutzt.
Thomas und Dietmar kamen nach, Ingo mit Christoph über den alten Weg und schließlich hatten wir alle den Gipfel erreicht. Bei dem was uns Ingo dann zeigte wurde sehr schnell klar, daß unser Blick für sächsische Sicherungsmöglichkeiten doch noch sehr beschränkt ist.
Nach dem Abseilen entschlossen sich Dietmar, Thomas und ich, an der „Felsensportnadel“ den Alten Weg (III*), zu klettern. Ingo ging mit Christoph an die „Verlassene Wand“ und dort an den Pfeilerweg (IV*). Auch das ging für beide Seilschaften sehr gut. Thomas und ich hatten zwar mit einer verklemmten Bandschlinge zu kämpfen, die nur mit einem von Dietmar gefertigten Holzspatel zu lösen war. Christoph mußte einen Quergang mit Hilfe der Pendeltechnik überwinden. Aber schließlich trafen sich alle wieder am Wandfuß und schon ging es an`s zusammenpacken, denn es war Zeit, uns auf den Rückweg zu machen.
Ein Erlebnis war nochmals der Rückmarsch in der Abenddämmerung zum Kiosk an der Ottomühle, wo wir schon von Ingos-Frauen erwartet wurden. Eine kleine Stärkung, und dann ging es leider schon an`s Abschiednehmen, Ingo fuhr mit seinen Frauen zurück nach Chemnitz, wir zur letzten Übernachtung in die Porschdorfer Hütte.
Wir alle bedauerten, daß wir uns schon von unseren Chemnitzer Freunden verabschieden mußten, denn in diesen beiden Tagen waren auf Grund der herzlichen, offenen Aufnahme, freundschaftliche Beziehungen entstanden, an die wir uns noch lange erinnern werden und die sicherlich ihre Fortsetzung in der einen oder anderen Art finden werden.
Der Montag war schon unser letzter Tag und der Tag unserer Heimfahrt. Ingo hatte uns noch zum Abschluß die „Dicke Berta“ am Katzstein empfohlen. Zunächst mußte aber noch die Hütte in Ordnung gebracht werden, was wir auch zusammen in Rekordzeit schafften. Dann ging es an`s packen und nachdem wieder alles in Dietmar`s Auto verstaut war, fuhren wir Richtung Cunnersdorf und dort auf den Parkplatz unterhalb der Katzsteinbaude. Eine kleine Wanderung über Signal, und Katzstein führte uns dann zur „Dicken Berta“, ein beachtlicher Brocken im „Gebiet der Steine“. Als Abschlußtour hatten wir uns den Westweg ausgesucht, mit einem Schwierigkeitsgrad, der für uns alle, auf Grund unserer zwischenzeitlich gemachten Erfahrungen, gut zu machen war.
Damit rückte das Ende unserer Tour unweigerlich in greifbare Nähe. Zurück zum Parkplatz, in Bad Schandau Abschlußessen, dann ging es zunächst noch mal nach Chemnitz, um bei Bernd den Hüttenschlüssel abzugegeben um dann endgültig Richtung Heimat zu fahren.
Ein schönes Wochenende ging damit zu Ende, an dem wir eine herzliche offene Gastfreundschaft mit netten Leuten, bei guter Stimmung und vielen neuen Erfahrungen erleben durften.
Autoren:
Thomas Piller, Sennfeld
Klaus Greubel, Oberwerrn