Hochtourenwoche Ortler
Hochtourenwoche Ortler Alpen – Der Spaß kommt keinesfalls zu kurz
In der Ausschreibung für die Hochtourenwoche vom 04. bis 10. August 2013 sind drei Touren aufgelistet: Als Eingehtour der Monte Cevedale (3.769m) über das Rifugio di Casati (3.269 m); als Test der Leistungsfähigkeit die Große Angelusspitze (3.520m) und / oder die Vertainspitze (3.524m) über die Düsseldorfer Hütte (2.721m) und als krönender Abschluß der König Ortler (3.905m) über die Payerhütte (3.029m).
Ob die Abfahrt am Sonntagfrüh um 5 Uhr als Spaß zu sehen ist, bezweifle ich immer noch, aber wir kommen nach einer reibungslosen Fahrt bei gutem Wetter um 12:15 Uhr am Parkplatz in Sulden an. Die Rucksäcke sind fertig gepackt, wir erreichen die letzte Liftfahrt vor der Mittagspause direkt zur Bergstation auf 2.610 m Höhe. Weiter am Suldenferner ziehen wir die komplette Gletscherausrüstung an und bilden zwei Seilschaften. Über einen merkwürdigen Sattel mit kurzem stahlseilunterstützten Abstieg erreichen wir die Casatihütte. Die Hütte ist in schlechtem Zustand, die Hüttenbesatzung etwas reserviert uns gegenüber und die Preise für Essen und Trinken sind recht hoch, weshalb die Hütte nur mäßig voll ist. Nach dem Abendessen planen wir die Tour am nächsten Tag. Wir haben seit dem Morgen eine Höhendifferenz von 3.000 m zwischen Schweinfurt und Hütte überwunden, deshalb und wegen den durchgelegenen Betten auf 3.269 m Höhe schlafen die meisten schlecht.
Das vorgerichtete Frühstück am nächsten Tag um 6 Uhr ist einfach und teuer, aber das beschleunigt unseren Abschied. Wir laufen wieder in zwei Seilschaften über die Ausläufer des Zufallferners zum etwas steileren Gletscherbruch und erreichen bei stärkerem Wind den Gipfel der Cevedale. Es folgen Glückwünsche und ausgiebiges Photographien bei Sonnenschein. Der Rückweg führt uns vorbei an der Casatihütte über die Suldenspitze zum Abstieg auf dem Suldenferner bis an die Bergstation. Nach Kaffee und viel Aussicht fahren wir mit der Seilbahn hinunter und beziehen unsere Hotelzimmer in Sulden.
Fabrice überzeugt einige von uns, den mit Schwierigkeit C/D bewerteten Klettersteig auf die Tschenglser Hochwand zu machen. So fahren wir am nächsten Morgen mit der Seilbahn zur Kanzel und laufen zur Düsseldorfer Hütte. Dort belegen wir die reservierten Zimmer und wandern zum Klettersteig auf die Tschenglser Hochwand. Wir finden dann doch noch den spärlich ausgeschilderten Einstieg, und platzieren uns gerade noch vor einer italienischen Gruppe, die sehr langsam unterwegs ist. Zu dritt kommen wir gut voran. In dem relativ neuen Steig wechseln sich teils senkrechte, gut versicherte Passagen mit Stücken ohne Stahlseil sowie leicht abfallendes ausgesetztes Laufgelände ab. Bei stärkerem Wind genießen wir die Aussicht einmal rund rum vom Reschenpaß über das Tal fast bis nach Meran, weiter über die Vortagsroute zur Cevedale bis hinüber zum König Ortler, dem Ziel der diesjährigen Hochtour. Beim Normalabstieg durch ein Schuttkar treffen wir auf eine junge Frau, die an ihrer Leistungsgrenze ist. Der Partner kann nicht mehr viel helfen, und so leihen wir ihr einen Stock. Wir haben uns schon lange mit dem Rest unserer später aufgestiegenen Gruppe auf der Düsseldorfer Hütte getroffen, als das Paar ziemlich fertig eintrifft und kurz entschlossen auf der Hütte übernachtet.
Das Frühstücksbuffet am nächsten Morgen ist sehr gut, wie auch sonst diese Hütte sehr zu empfehlen ist. Beim Aufbrechen ist das Wetter schon ziemlich trüb, und wird erwartungsgemäß auf dem Weg zur Großen Angelusspitze schlechter. Wir schaffen noch den seilversicherten Steig ungefähr bis auf 3.150 m Höhe, dort entscheiden wir gemeinsam den Abbruch der Tour. Bei stärker werdendem Regen steigen wir in unangenehm rutschigem Gelände bis zur Bergstation ab. Während der Abfahrt mit dem offenen Sessellift muß unsere Alpinkleidung den waagerecht wehenden Regen abhalten, alle kommen heil aber naß unten an.
Später rät uns der sehr kompetente Mitarbeiter der telefonischen persönlichen Bergwetterauskunft für die Tour Payerhütte – Ortlerferner – Ortler und zurück am Mittwoch und Donnerstag komplett ab, da mit Windgeschwindigkeiten bis 80 km/h und deutlichem Absinken der Schneefallgrenze auf Höhe unserer Tour zu rechnen ist. Die Wetteraussicht für Samstag und Sonntag ist viel besser, aber diese Möglichkeit entfällt, da wir keinen Platz auf der Payerhütte reserviert haben. In der nachfolgenden gemeinsamen Diskussion erreichen wir folgenden Kompromiss: Donnerstag beim Frühstück holen wir nochmal eine verläßliche Wetterauskunft für die abschließende Bewertung ein. Das Abendessen in unserem Lieblingshotel ist einfach gut, ein paar Freigetränke anläßlich der Geburtstagsfeier des Hotelbesitzers runden den Abend perfekt ab.
Beim Frühstück am Donnerstagmorgen holen wir die aktuelle Wettervorhersage für das Ortlergebiet ein. Sie bestätigt die Prognose für schlechtes Bergwetter vom Vortag, und so reisen wir schweren Herzens ab. Es ist schwül-warm, auf der anderen Seite Österreichs wird es in Wien an diesem Tag fast 40° heiß. Wir schauen uns die Kletterhalle in Imst an, und nehmen für das Projekt „DAV-Zentrum Schweinfurt“ noch ein paar Anregungen mit. Im weiteren Verlauf der Heimfahrt fängt es dann an zu regnen und bestätigt unsere Entscheidung.
Fazit: – Es waren ein paar schöne Tage in den Dolomiten mit ebenso ansprechenden Touren. Geholfen haben uns die gute Tourenplanung vor allem durch Thomas, die Aufteilung der Seilschaften mit den kompetenten Seilschaftsführern Thomas und Josef, eine jeweils persönliche konditionelle Vorbereitung auch mal in der Gruppe, die fundierte Ausbildung im Rahmen unserer Klettergruppe sowie der ständige Austausch über Ausrüstung und Sicherheit. – Innerhalb unserer Gruppe setzten wir uns ständig mit der ursprünglichen Planung und den Gegebenheiten vor Ort auseinander. Wir trafen gemeinsam die Entscheidung sowohl zum Abbruch einer bereits begonnen Tour wie auch den Verzicht auf unsere Königstour auf den Ortler, was sicher für viele ein herausragender Abschluß gewesen wäre. – Bei dem rundum gelungenen Hochtourenausflug kam der Spaß keinesfalls zu kurz.
Kurt Stelzenmüller
PS: In diesen fünf Tagen verunglückten mindestens 8 europäische Bergsteigerinnen und Bergsteiger im Alpenraum tödlich, zahlreiche Verletzte mußten geborgen werden (Quelle: www.bergrettung.at). Gründe waren unter anderem Wetterbedingungen, Steinschlag, Orientierung, Überschätzung, Dehydrierung, Herz-/Kreislaufprobleme, Abseilen ohne Endknoten.